Hintergrund

#KeinenMillimeter

ist ein Bündnis, das als Antwort auf fairändern und ihre Forderung zur Abschaffung der embryopathischen Indikation gegründet wurde – aus Zivilbevölkerung und allen Oppositionsparteien (SPÖ, Grüne, Neos, Jetzt).
Die Betroffenen stehen bei #keinenMillimeter Vordergrund.

Sie teilen ihre persönlichen Erfahrungen, um zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, dass die schwierigste aller Entscheidungen nur von ihnen selbst getroffen werden kann, aber niemals von einem Gesetz eingeschränkt werden darf.
Aus diesem Grund sind auch Michael & Alexandra Dorner die Erstunterzeichner dieser wichtigen Petition –als Zeichen, dass diese Debatte keine politische, sondern eine menschliche ist.

Der Spätabbruch – ein emotional stark besetztes Thema

DDr. Christian Fiala, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe / Gynmed Ambulatorium, Wien und Salzburg, www.gynmed.at
Mag. Petra Schweiger, Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin, Salzburg

Für den straffreien Schwangerschaftsabbruch bei schweren Fehlbildungen des Fötus, die sogenannte „embryopathischen Indikation“ gibt es seit mehr als 40 Jahren eine für Betroffene und beruflich Engagierte eine einigermaßen befriedigende gesetzliche Regelung.

Der Abbruch einer Schwangerschaft ist in Österreich seit 1975 durch die Fristenlösung im § 96 und § 97 StGB geregelt. Ein Schwangerschaftsabbruch ist demnach weiterhin strafbar, bis zu 1 Jahr Gefängnis für die Frau. Allerdings wird von einer Bestrafung abgesehen, wenn der Abbruch innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft und nach vorhergehender Beratung von einem Arzt/einer Ärztin vorgenommen wird.

Die dreimonatige Frist beruht auf dem Gedanken, dass der ungewollt schwangeren Frau/dem Paar eine hinreichend lange Überlegenszeit ermöglicht werden soll, während der sie sich für oder gegen den Abbruch selbstbestimmt entscheiden kann/können.

Nach Ablauf dieser Frist ist ein Abbruch nur bei Vorliegen eines medizinischen Grundes (=Indikation) erlaubt. Konkret sieht das österreichische Recht drei Indikationen vor, die

  • Medizinische Indikation: wenn der Schwangerschaftsabbruch zur Abwendung einer nicht anders abwendbaren ernsten Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens für die körperliche und seelische Gesundheit der Schwangeren erforderlich ist
  • Embryopathische Indikation*[1]: wenn eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde
  • Indikation der Unmündigkeit: falls die junge Frau zur Zeit der Schwängerung unmündig gewesen ist.

Die Indikationen des §97 sind an keine zeitliche Frist gebunden, sondern gelten für die Dauer der gesamten Schwangerschaft.

Wohlüberlegt und aus gutem Grund hat der Gesetzgeber hier keine zeitliche Frist beschlossen. Wenn das Leben der schwangeren Frau gefährdet ist, verbietet sich jede Diskussion über eine Frist zum Abbruch. Aber auch bei schwersten Fehlbildungen eines Fötus, der nach der Geburt sterben würde, steht eine gesetzlich definierte Frist nicht zur Diskussion. Was soll man/frau beispielsweise einer Frau sagen, die erst in der 25. Woche erfährt, dass der Fötus kein Gehirn hat (sog. Anaencephalus) und somit unweigerlich nach der Geburt sterben würde? Soll ihr ein Abbruch verwehrt bleiben und soll sie gezwungen werden, die Schwangerschaft auszutragen, damit das Kind erst nach der Geburt stirbt? Das wird wohl kaum jemand erwägen.

Wegen dieser Problematik ist das Festlegen einer Frist nicht möglich und daher muss es in den wenigen tragischen Fällen möglich sein, einen Spätabbruch je nach der individuellen Notwendigkeit durchzuführen.

In der Praxis sind Frauen jedoch vollkommen abhängig von den behandelnden Ärzten. Weil die Einschätzung der Fehlbildung von diesen vorgenommen wird. Liegt eine schwere Fehlbildung vor und die betroffene Frau/das Paar kommt zu der Entscheidung, die Schwangerschaft abzubrechen, so bleibt sie in vollem Ausmaß auf die Kooperation der behandelnden ÄrztInnen angewiesen. Genau dort liegen die tatsächlichen Probleme:

Frauen/Paare, die sich nicht in der Lage sehen die große Verantwortung für ein schwerst behindertes Kind zu übernehmen, sind oftmals in einer emotional stark belasteten Entscheidungssituation. Wenn sie sich wohlüberlegt für einen Abbruch entscheiden, dann ist es für die ÄrztInnen wesentlich leichter dies abzulehnen, mit der Begründung die Behinderung sei nicht wirklich beeinträchtigend. Dabei organisieren viele Krankenhäuser willkürlich zusammengestellte Kommissionen zusammen, häufig irreführend als „Ethikkommission“ bezeichnet, welche ohne gesetzliche Basis und ohne Mitspracherecht der Frau entscheiden ob die Frau in Österreich einen Abbruch bekommt oder nicht. In den meisten Fällen ist dies eine reine „Papierentscheidung“, d.h. die Frau wird nicht einmal angehört und die meisten Mitglieder der Kommission haben die Frau nie zu Gesicht bekommen. Auch wird den Frauen häufig die Information darüber verweigert, welche Personen der Kommission angehört haben. Auch hat die Frau keinerlei rechtliche Möglichkeit gegen die Entscheidung einer solchen Kommission vorzugehen.

Darüber hinaus gibt es eine (illegale) Absprache zwischen allen Pränatalzentren, dass Frauen grundsätzlich ein Spätabbruch in einem anderen Zentrum verweigert wird. D.h. die sonst selbstverständliche freie Wahl des Arztes wird diesen Frauen vorenthalten.

Da es immer wieder vorkommt, dass Frauen ein Abbruch in Österreich verweigert wird, sind jedes Jahr 100-200 Frauen gezwungen ins Ausland zu einem Spätabbruch zu fahren, meist nach Holland.

Aus den geschilderten Gründen ist es für eine Frau in Österreich nur in Ausnahmefällen möglich nach der 24. Woche einen Abbruch zu bekommen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die österreichische gesetzliche Regelung des schwierigen Themas „Spätabbruch“ kaum besser geregelt werden kann. (Abgesehen von der zu fordernden Streichung der Strafandrohung von 1 Jahr Gefängnis für Frauen.)

Allerdings ist reale Umsetzung für viele Frauen und Paare unzumutbar, da ihre Entscheidung über den Abbruch von ÄrztInnenen häufig nicht akzeptiert wird. Hier ist zu fordern, dass der Entscheidung der betroffenen Frauen/Paare mehr respektiert wird.

Schließlich kann es nicht Ziel unserer Gesellschaft sein, Frauen zum Austragen einer Schwangerschaft zu zwingen, noch dazu wenn eine schwere Fehlbildung des Fötus vorliegt.

In jedem Fall ist es die ganz persönliche Entscheidung der betroffenen Frau, ob sie sich imstande sieht, diese – weit über die alltägliche Verantwortung für ein Kind hinausgehende – psychische, physische und finanzielle Belastung auf sich zu nehmen, mit der in der Regel auch eine massive Beeinträchtigung ihres eigenen Lebens und ihrer Partnerschaft verbunden sein wird.

Einige – beruflich mit dem Thema meist unerfahrene Menschen – sehen  in der Bestimmung eine Geringschätzung und Diskriminierung behinderten Lebens. Persönlich Betroffene und beruflich in diesem Bereich engagierte MedizinerInnen, PsychologInnen, SozialarbeiterInnen etc. vertreten den Standpunkt, es handelt sich um die Anerkennung des Selbstbestimmungsanspruches einer schwangeren Frau, ob sie den Fötus bei Vorliegen besonders belastender Umstände austragen will und kann oder nicht. Eine Fortsetzung der Schwangerschaft im Falle einer oben genannten Indikation kann sinnvollerweise nicht erzwungen werden. Deshalb enthält diese Bestimmung weder eine Bewertung noch eine Benachteiligung behinderten Lebens.

Es wird keiner schwangeren Frau durch die Indikationen des § 97 die Möglichkeit genommen, sich für die Fortsetzung der Schwangerschaft zu entscheiden und selbstverständlich sollten grundsätzlich alle Kinder – ganz gleich mit welchen Einschränkungen, bzw. speziellen Fähigkeiten sie auf diese Welt kommen – die bestmögliche Förderung für eine gelungene Entwicklung erhalten!

In Wahrheit geht es bei allen Streichungs- oder Befristungsforderungen der embryopathischen Indikation um Bevormundung und Einschränkung des Selbstbestimmungsrechtes von Frauen.

Selbst nach Ansicht des OHG trägt die Anerkennung der embryopathischen Indikation dem Umstand Rechnung, dass nicht nur Lebens- und Gesundheitsinteressen, sondern auch andere besondere Belastungen es rechtfertigen können, dem Leben der Schwangeren Vorrang vor dem des Fötus einzuräumen.

Die Streichung oder die Einführung einer Frist für die embryopathische Indikation kann auch keine Verringerung von Schwangerschaftsabbrüchen bewirken. Es würde lediglich ein ohnehin bereits bestehender „Abtreibungstourismus“ in jene Länder gefördert werden, in denen ein Abbruch auch im zweiten Drittel der Schwangerschaft möglich (z.B. Holland, Spanien, Großbritannien, Schweden) ist.

Was wir tatsächlich in Österreich brauchen ist eine Diskussion über die Verbesserung der medizinischen Behandlungsmethoden, ein umfassendes Fortbildungsprogramm für GynäkologInnen und ausreichend psychologisch geschultes Betreuungspersonal, um die medizinische Behandlung von Frauen beim Spätabbruch auf den aktuellen medizinischen Stand zu bringen!


[1] Der Begriff „Eugenische“ Indikation kommt im Gesetz nicht vor und ist irreführend, bzw. manipulativ. Weil die Motivation von Frauen für einen Spätabbruch nicht politischer Natur ist und auch in keiner Weise behindertenfeindlich, sondern ausschließlich auf der Sorge basiert, dass sie sich nicht in der Lage sehen ein Kind mit schweren Fehlbildungen verantwortungsvoll ins Leben zu begleiten.